Unterhaltung und Shopping verschmelzen zunehmend und sind kaum noch voneinander trennbar. Das Live-Shopping – also Einkaufen über Livestream – ist in China längst Standard und gewinnt auch in Europa an Bedeutung. Produkte werden einem Publikum in Echtzeit beispielsweise über die sozialen Medien visuell präsentiert, mit dem Reiz, es vor dem Kauf sehen und sich austauschen zu können.
Gezeigt wird die Ware meistens von Influencern, die Verbraucher per Live-Video mit auf Shopping-Tour nehmen. Ein Moderator begleitet die Show und interagiert über die Chat-Funktion mit den Zuschauern. Aus dem herkömmlichen Einkaufsprozess wird ein Event, welches gerade die jüngere Generation an eine Marke bindet.
Bereits jetzt interessieren sich 70 % der europäischen Kunden von Fashion- und Beauty-Produkten für dieses Konzept – 53 % würden an einem solchen Event aktiv teilnehmen. Diese Ergebnisse gehen aus einer Studie von Arvato hervor, die das Potenzial des Live-Shoppings in Europa untersucht hat. So zeigt sich, dass auch Händler in Deutschland von dem Trend profitieren können, indem sie durch den Verkauf via Livestream einen völlig neuen Absatzkanal erschließen, den Umsatz steigern, Kunden an sich binden und neue Käufer hinzugewinnen.
Bestandteile eines Live-Shopping-Events
Das Einkaufen via Livestream kann entweder über die sozialen Medien, spezielle Apps oder die unternehmenseigene Website stattfinden. Marken haben die Möglichkeit, intern eine neue, auf Live-Shopping ausgerichtete Infrastruktur aufzubauen oder den Service eines externen Dienstleisters zu nutzen. Arvato zeigt, dass die Eigeninitiierung auf Social Media zurzeit zu den beliebtesten Varianten zählt.
Über Facebook können User direkt im Livestream Produkte kaufen, die das Unternehmen im Vorfeld einem Katalog hinzugefügt hat. Instagram bietet eine Live-Shopping-Funktion für alle Geschäftskonten. Kunden in Deutschland müssen die Show bis dato jedoch noch verlassen, um den Kauf im eigentlichen Webshop abzuschließen. Fortschrittlicher ist das Live-Streaming-Dashboard bei YouTube. Hier herrscht allerdings schon jetzt hoher Konkurrenzdruck. Auch bei TikTok gibt es bereits Einkaufsevents im Livestream, welche insbesondere die jüngere Zielgruppe anziehen.
Wenn sich ein Unternehmen für einen Kanal entschieden hat, folgt die Wahl des Gastgebers. Dieser spielt bei der Ansprache der Kunden und Interessenten immer eine wichtige Rolle – ganz egal ob es darum geht, neue Produkte zu präsentieren, den Verkauf anzukurbeln oder die Bekanntheit der Marke zu steigern. Arvato geht davon aus, dass Prominente oder Social-Media-Spezialisten wie Influencer eine höhere Zuschauerzahl anziehen. Produktwissen, Unterhaltung und Authentizität sind weitere Entscheidungskriterien. So beziehen Kosmetikmarken häufig sowohl einen Influencer als auch einen Experten in das Event mit ein.
Best Practices in Europa
Schon jetzt haben einige Unternehmen Live-Shopping-Events in ihr Webseiten-Konzept fest integriert. Samsung, Orsay und Esprit arbeiten dazu mit Influencern und Moderatoren zusammen. Um den Verkauf zu fördern, erhalten die Zuschauer während der Veranstaltung Rabattcodes, die sie direkt einlösen können. Dior nutzte TikTok, um der Community eine völlig neue Kollektion vorzustellen.
Auch das Handelsunternehmen Otto hat eine eigene Live-Shopping-Show ins Leben gerufen. 20 Minuten lang präsentieren Influencer und Moderatorinnen, wie Jenny Augusta aus den Pro-Sieben-Shows „Taff“ und „Red!“, Produkte, die unter dem Video mithilfe von Kacheln eingebunden werden. Per Klick können Zuschauer diese bei Bedarf direkt dem Warenkorb hinzufügen und kaufen. Zuschauer haben die Möglichkeit, Fragen über den Chat zu stellen, die anschließend live beantwortet werden. Als Ergänzung zur Produktpräsentation folgen beispielsweise Einrichtungstipps für Interior-Produkte. Der Konzern Tchibo gestaltet sein Live-Shopping-Konzept ein wenig anders: Bei „Tchibo live“ treffen Kunden auf Mitarbeiter des Unternehmens, die selbst vor die Kamera treten und die Produkte bestens kennen.
Vielversprechendes Format
Dieses völlig neue Einkaufserlebnis bietet sowohl für Kunden als auch für Händler zahlreiche Vorteile. Zuschauer können mit der Community, Mitarbeitern, Experten oder Influencern in Kontakt treten und interagieren.
Live-Shopping erspart Konsumenten so die Produktsuche, -vergleiche und den Zeitaufwand beim Lesen von Bewertungen oder Empfehlungen. Auch die Beratung, die beim klassischen Onlineshopping teilweise fehlt, kann nachempfunden werden. Live-Shopping umfasst den gesamten Einkaufsprozess und unterhält das Publikum zusätzlich.
Neben den Effekten der Kundenbindung und Neukundengewinnung verzeichnen Unternehmen ebenfalls einen Umsatzwachstum und können das Event als aktive Verkaufsförderung nutzen. Das Potenzial des neuen Formats ist aber noch nicht ausgeschöpft. Es lohnt sich, Trends und Innovationen in China genauer zu betrachten und sich an diesen zu orientieren. Wer jetzt anfängt, gehört noch zu den Vorreitern in Deutschland und kann sich unter der Vielzahl an E-Commerce-Anbietern in Deutschland behaupten.