Das Jahr 2020 verlief rückblickend, gelinde gesagt, in jeder Hinsicht höchst unerwartet. Zu den Gewinnern der Corona-Krise gehört ganz klar der stark gewachsense E-Commerce. Was wird den Onlinehandel im kommenden Jahr bewegen? Welche Trends sollten Händler 2021 im Auge behalten?
Nachhaltigkeit: Re-Commerce auf dem Vormarsch
Re-Commerce ist ein neuer Nachhaltigkeitstrend im Onlinehandel mit altbekanntem Ziel: Bereits gebrauchte Ware im Internet wieder zu verkaufen. Neu ist die Professionalisierung dabei. So haben etwa Zalando und H&M in diesem Jahr beide Re-Commerce für sich entdeckt und bieten ihren Kunden nun die Möglichkeit, getragene Kleidung an die Unternehmen zu verkaufen, die diese wiederum auf ihren Plattformen wieder zum Verkauf anbieten. „Pre-Owned“ nennt sich das bei Zalando zum Beispiel.
Auch Ikea mischt neuerdings im Re-Commerce mit. Geplant hat das Unternehmen, bis 2030 seine Klimabilanz zu verbessern. Dazu will der Möbelriese ausschließlich auf erneuerbare und recycelbare Rohstoffe umsteigen. Zudem können Kunden seit dem Sommer 2020 ihre gebrauchten Möbel gegen einen Gutschein zurückgeben – diese landen dann als „zweite Chance“ in den Fundgruben der Möbelhäuser. In Schweden gibt es inzwischen eine ganze Filiale ausschließlich mit Gebrauchtmöbeln.
Unternehmen mit der Absicht, nachhaltiger zu werden, dürften bei den Konsumenten punkten, denn insbesondere in den jüngeren Zielgruppen werden die Stimmen nach Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit zunehmend lauter. Ein starker Antrieb in diesem Jahr war „Fridays for Future“, aber auch die Corona-Krise, die bei einigen Verbrauchern dazu führte, das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen.
Social Commerce wird erwachsen
Social Commerce ist zwar nicht der allerneueste Trend im Onlinehandel, bleibt aber 2021 äußerst relevant, da die Social-Media-Netzwerke mehr und mehr Shoppingfunktionen einführen und den Handel über ihre Plattformen und Apps stetig optimieren. So steht auf Instagram zum Beispiel der Rollout der Funktion aus, die die Bestellung und den Checkout direkt in der App ermöglicht, wie in den USA bereits geschehen. Facebook hat erst vor wenigen Wochen neue Funktionen eingeführt. Ganz frisch mischt nun auch YouTube im Social Commerce mit – offiziell noch ein Experiment. Getestet werden eine Shopify-Integration und das Taggen von Produkten, um einen Produktkatalog aufzubauen. Unboxing- und How-to-Videos könnten dadurch bald zu einer modernen Version des Teleshoppings werden und dem Unternehmen einen Anteil am zuletzt stark gewachsenen E-Commerce sichern.
Ein großes Plus von Social Commerce bleiben die hohen Nutzerzahlen weltweit und die recht lange Verweildauer. Laut Statista ist in Deutschland facebook führend bei der Nutzung sozialer Netzwerke über mobile Geräte, gemessen an den Seitenaufrufen. Die Plattform hat einen Marktanteil von 79,11 Prozent. Den zweiten Platz, mit 9,71 Prozent, belegt Pinterest.
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Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning
Zugegeben, auch dieser Trend kursiert nicht erst seit gestern. Aber künstliche Intelligenz ist ein äußerst weites Feld, das in den verschiedensten Bereichen immer weiter reift und gedeiht. Im E-Commerce sorgt sie bereits dafür, dass riesige Datenmengen gespeichert und so ausgewertet werden können, dass die Customer Experience ganz neue Höhen erreicht. Sie hilft zum Beispiel bei der Kundensegmentierung, der Ausspielung personalisierter Kampagnen oder Produktempfehlungen und bei der dynamischen Preisgestaltung. Auch bei Chatbots und Smart-Home-Devices kommt sie zum Einsatz. Viele Handelsunternehmen nutzen solche Möglichkeiten noch gar nicht oder nur sehr eingeschränkt. Auch Virtual und Augmented Reality ist noch nicht verbreitet, ebenso wenig wird Machine Learning derzeit genutzt, um Technologien im Bereich Logistik zu verbessern. Hier schlummert also weiterhin viel Potenzial, das künftig entfaltet werden kann.
Logistik: Bestellung und Lieferung im Connected Commerce
Mit steigendem Bestellvolumen im Onlinehandel steigt der Lieferverkehr in den Städten und Gemeinden und die letzte Meile erreicht zunehmend schnell ihre Grenzen. Neue Konzepte müssen also her – und diese müssen nicht nur effektiv, sondern auch nachhaltig sein. In der City-Logistik bieten sich dazu Fahrzeuge mit Elektroantrieb an. Neben E-LKWs können im urbanen Raum auch gut E-Roller und E-Lastenräder genutzt werden, denn diese sind schnell und flexibler als große Lieferfahrzeuge. In Verbindung mit sogenannten Micro-Hubs, innerstädtischen Verteilerzentren, aus denen sich kleinere Fahrzeuge bedienen, könnte so die städtische Infrastruktur entlastet werden. Daneben dürfte weiterhin mit Drohnen und Paketrobotern experimentiert werden, um die Potenziale für eine kommerzielle Nutzung aufzudecken.
In puncto Nachhaltigkeit kann auch das Auftragsrouting einen Beitrag leisten: Für jede Lieferung wird dabei individuell der beste Versandort gewählt – zum Beispiel jener, der dem Kunden am nächsten ist und einen kurzen Lieferweg garantiert. Dazu müssen das Lager neu gedacht und zum Beispiel Konzepte wie Ship-from-Store umgesetzt werden. Auch über Pick-up-Stations, über die Click-and-Collect-Bestellungen abgewickelt werden können, sollte verstärkt nachgedacht werden.
Generell wird ein effizientes Datenmanagement in der Logistik immer wichtiger, um Warenströme und die Routenplanung zu optimieren. Das dürfte auch Kundenansprüchen nach Same-Day-Delivery, dem kurzfristigen Umleiten von Paketsendungen und weiteren flexiblen Lieferoptionen entgegenkommen.
The New Normal: Omnichannel-Commerce
Wenn wir über Trends im E-Commerce sprechen, sollten wir uns vor Augen führen, dass die Unterscheidung zwischen stationärem Handel und Onlinehandel bereits stark aufgeweicht ist. Noch gibt es zwar Aufholbedarf in der Handelsbranche, allerdings wird Omnichannel- oder Connected Commerce 2021 und darüber hinaus charakteristisch sein. Denn obwohl der Onlinehandel an sich stark wächst und mehr und mehr Kunden im Internet einkaufen, sind weiterhin lokale Geschäfte bei den Kunden gefragt, um Produkte anzufassen, auszuprobieren und direkt mitzunehmen. Händler können die Vernetzung nutzen, um Konzepte wie Ship-from-Store und Click & Collect umzusetzen oder auch attraktive Showrooms einzurichten – insbesondere in der Möbelbranche ein beliebtes Instrument, um Retouren in den Webshops zu vermeiden. Klar ist: Der stationäre Handel braucht neue Formate, bring aber gleichwohl einen Mehrwert für den E-Commerce. Eine ganzheitliche Betrachtung wird also immer wichtiger!
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