Nachhaltiger Onlinehandel – geht das überhaupt? Warenvernichtungen, ein hoher CO2-Ausstoß durch den Transport und jede Menge Verpackungsmüll sind nur einige Faktoren, die die Ökobilanz des E-Commerce stark belasten. Einige Händler und Hersteller haben dafür bereits ein Bewusstsein entwickelt und passen ihre Produkte und Prozesse an, um nachhaltiger zu werden. Das ist zum einen gut für die Umwelt, zum anderen erschließen solche Unternehmen neue Kundengruppen und punkten gegenüber dem Wettbewerb.
Aber der Weg zum nachhaltigen E-Commerce ist lang. Insbesondere in den Bereichen Verpackung, Versand und Retouren gibt es enormen Optimierungsbedarf.
Vermeidung unnötiger Retouren
Kunden neigen dazu, insbesondere im Fashionbereich, Produkte in mehrfacher Ausführung zu bestellen, um die passende Größe zu finden oder Farben und Schnitte genauer unter die Lupe zu nehmen. Laut einer Studie der Universität Bamberg werden 50 % der bestellten Kleidungsstücke zurückgesendet, über alle Produktgruppen hinweg sind es 16 %. In Deutschland emittieren die circa 800.000 Retouren pro Tag rund 400 Tonnen CO2 und jede Menge Verpackungsmüll. Retouren sind somit eines der größten Probleme im E-Commerce.
Oft liegen der Rücksendung von Ware Abweichungen zwischen Produktfoto und -beschreibung und dem gelieferten Artikel zugrunde. Umfassende Produktinformationen sowie Abbildungen im Onlineshop sind ein erster, aber entscheidender Schritt zur Retourenvermeidung. Für die Fashion-Branche sind genaue Maßangaben und eine passende Beschreibung der Farbe sowie des Materials ausschlaggebend. Auch eine einheitliche Regelung bezüglich der Größen über alle Hersteller hinweg würde die Bestellungen vereinfachen, denn eine Größe M zum Beispiel fällt nicht bei jedem Anbieter gleich aus. Eine 360-Grad-Ansicht des Kleidungsstückes an Models oder virtuelle Umkleiden verbessern den Auswahl- und Kaufprozess ebenfalls. Auch über Videos lassen sich Produkte gut präsentieren. Das gilt für Mode ebenso wie für erklärungsbedürftige Technikprodukte.
Darüber hinaus können KI-basierte Anwendungen das Retourenmanagement optimieren, indem sie das Kundenverhalten analysieren und datengestützte Produktvorschläge machen — von Produktkategorien bis hin zur passenden Größe und Farbe im Modebereich. So wissen Verbraucher schon, bevor sie die Ware erhalten, ob ein Kleidungsstück passt und gefällt.
Im Vorfeld der Bestellung lässt sich also Einiges tun, um die Zahl der Rücksendungen zu minimieren.
Die zweite Chance für Retouren
Ware, die dennoch zurückgeschickt wird, kann durchaus zurück in den Verkauf gebracht und muss nicht vernichtet werden. So kann Kleidung gereinigt, repariert und neu verpackt wieder als A-Ware verkauft werden. Laut einer Studie des EHI Retail Institutes wurden 2018 bei mehr als der Hälfte der befragten Händler bereits 80 bis 90 % der retournierten Ware wieder als A-Ware verkauft. Ressourceneinsparung, Nachhaltigkeit und auch der positive Imagesteigerung sollte Anreiz genug sein, um diesen Weg einzuschlagen.
Mittlerweile gibt es bereits viele Anbieter, die zurückgesendete Ware wieder aufbereiten. Oft haben sich diese Dienstleister der Nachhaltigkeit verschrieben, setzten auf nachhaltige Verpackung und erzeugen teilweise auch ihren Strom durch Solar- und Photovoltaik-Anlagen. Je nach Kundenanforderung übernehmen sie auch die Logistik in den Einzelhandel oder den Versand an den Endkunden, wobei wiederum unnötige Transportwege eingespart werden.
Sollten Retouren ihren Weg zurück in den Handel nicht als A-Ware finden, gibt es noch die Möglichkeit, sie vergünstigt als B-Ware zu klassifizieren oder an Restekäufer zu veräußern.
Umweltfreundliche Verpackungslösungen
Die Anforderungen an Versandverpackungen sind hoch: Sie sollen nicht nur das Produkt schützen, sondern auch mit einem zur Marke passenden Design überzeugen und darüber hinaus nachhaltig sein.
Umweltfreundlich sind allerdings die wenigsten Verpackungen: Viele Händler nutzen Standardgrößen und polstern die Kartons mit Füllmaterial aus, wenn sie kleinere Produkte versenden. Neben viel Müll hat das auch eine erhöhte CO2-Belastung zur Folge, da die Lieferfahrzeuge nicht optimal ausgelastet sind. Für einen nachhaltigeren Onlinehandel müssen also optimierte, auf das jeweilige Produkt angepasste Verpackungsgrößen her.
Produkte, die beim Versand besonderen Schutz benötigen, etwa zerbrechliche Ware, können mit nachwachsenden Rohstoffen gepolstert werde. Hier bieten sich pflanzliche Stärke oder PLA, ein biologisch abbaubarer Kunststoff, an. Um Produkte zu isolieren, zum Beispiel Lebensmittel, können Händler zu Stroh statt zu Styropor greifen.
Wer langfristig nachhaltigeren E-Commerce betreiben möchte, setzt auf ganzheitliche Verpackungslösungen, die materialoptimiert, recycelbar und wiederverwendbar sind — zum Beispiel für Retouren oder nachfolgende Produktsendungen.
Umweltschonende Versandoptionen
Der Trend zu individuellen Express-Lieferungen zu Wunsch-Uhrzeiten durch „Premium“-Dienste hat zur Folge, dass Transportfahrzeuge oft nicht optimal ausgelastet sind. Darüber hinaus schlagen rund ein Viertel der Anlieferungen beim ersten Versuch fehl, weil der Kunde nicht zu Hause ist, sodass das Paket automatisch zurück zum Händler transportiert wird.
Beim Warenversand gibt es also Verbesserungsmöglichkeiten und damit auch Potenziale, zukünftig nachhaltiger zu werden. Elektrofahrzeuge etwa verbessern die Klimabilanz beim Transport, während Packstationen unnötige Fahrtwege sowie erfolglose Zustellungen vermeiden. Auch die Digitalisierung gestaltet den Warenversand klimafreundlicher: KI und selbstlernende Algorithmen zur Routen- und Paketoptimierung verringern die Fahrstrecke und garantieren die optimale Auslastung der Transportfahrzeuge. In den Städten gibt es zudem Anbieter, die mit dem Fahrrad zustellen.
Für den Transport auf der letzten Meile sind Drittanbieter verantwortlich. Somit ist für den Händler die Wahl des richtigen Versandpartners entscheidend. Klimaschutzprogramme wie GoGreen der DHL oder ThinkGreen der GLS setzen auf eine Mischung aus CO²-reduzierenden und CO²-kompensierenden Maßnahmen. Beim Transport entstandene Emissionen werden genau berechnet und durch Klimaschutz-Projekte ausgeglichen. Darüber hinaus nutzen einzelne Versanddienstleister bereits jetzt bei der Auslieferung vermehrt eVans oder eBikes und stadtnahe Mikrodepots für Pakete. Auch die DHL setzt auf Packstationen an verkehrsgünstigen Standorten, die zunehmend über Solarpanels mit Strom versorgt werden. Außerdem bietet der Paketdienstleister umfassende Möglichkeiten an, den Empfang grüner zu gestalten und erfolglose Zustellversuche zu vermeiden.
Kurze Transportwege dank Georouting
Häufig befinden sich online bestellte Artikel in verschiedenen Lagern oder Filialen eines Händlers oder auch bei verschiedenen Händlern, die durch Verbundstrukturen miteinander vernetzt sind. Das muss kein Nachteil sein; ganz im Gegenteil ermöglichen solche Strukturen, Bestellungen auf kurzen Wegen zu verschicken und dabei Ressourcen zu sparen.
Nötig ist dafür ein Backendsystem, das als Schaltzentrale dient, Online-Bestellungen automatisiert bearbeitet und über einen Algorithmus ermittelt, welcher Händler oder welche Filiale den Versandauftrag für die eingegangene Bestellung beziehungsweise für einen Teil davon erhält. Dazu werden vorab definierte Kriterien geprüft: Neben der Warenverfügbarkeit kann das System mittels Georouting auch prüfen, welche Filiale oder welches Lager am nächsten zum Empfänger liegt. Das spart Versandkosten und verkürzt Transportwege der Lieferdienste.
Viel Handlungsbedarf, viel Potenzial
Transport, Verpackung, Retouren: Es gibt diverse Bereiche, an denen Händler ansetzen können, um ihr Geschäft nachhaltiger zu gestalten. Dafür sind oft kurz- und mittelfristig erhebliche Investitionen nötig, zum Beispiel in Materialien, Technologien oder auch Personal. Längerfristig winken allerdings auch Einsparungen, ein besseres Image und damit neue Kunden.
Seien Sie geduldig: Das Geschäft wird nicht über Nacht „grün“, vielmehr sollten Sie eine nachhaltige Strategie entwickeln und Aufgaben nach und nach angehen. Seien Sie auf jeden Fall erhlich und authentisch, denn Greenwashing kann ihrem Unternehmen erheblich schaden.