Erfahrungswerte aus den vergangenen Jahren können nur bedingt genutzt werden, um die zu bewältigenden Volumina für das nächste anstehende Weihnachtsgeschäft im Onlinehandel abzuschätzen. Online-Händler müssen sich also für die umsatzstärkste Zeit des Jahres maximal flexibel aufstellen.
In weniger als drei Monaten ist Weihnachten. Nicht zuletzt bedingt durch die Corona-Krise, ist das Volumen an Online-Einkäufen in den letzten Jahren deutlich gestiegen und auch wenn Verbraucher sich beispielsweise 2021 zurückhaltender zeigen wollten, werden Online-Shops ein nicht zu unterschätzendes Bestellvolumen bewältigen müssen. Das Problem für Onlinehändler: Erfahrungswerte aus den Corona-Jahren können nur bedingt genutzt werden, um die zu bewältigenden Volumina für die kommenden Jahre abzuschätzen. Dem Onlinehandel bleibt also nichts anderes übrig, als sich für die umsatzstärkste Zeit des Jahres maximal flexibel aufzustellen – vor allem in Sachen Fulfillment und Logistik.
Oliver Lucas, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der ecom consulting GmbH, hat acht Tipps parat, wie Onlinehändler sich auf alle Eventualitäten vorbereiten können.
1. Suchen Sie das Bottleneck, bevor es sich von selber zeigt
Auch wenn das Fulfillment aktuell gut läuft – Anbieter sollten wissen, wo es in Extremsituationen am schnellsten zu Engpässen kommt, um bei Bedarf mit einem entsprechenden Notfallplan strategisch-pragmatisch auf diese Situation reagieren zu können, statt hektisch und damit häufig auch kostenintensiv Löcher stopfen zu müssen. Analysieren Sie also schon vor dem großen Run, was den Warenfluss hemmt und wo sich Rückstaus in der Abwicklung bilden könnten (und werden).
2. Lassen Sie Ihre Fläche atmen
Ein ideales Lager hat eine Auslastung von 80 bis 90 Prozent. Doch Weihnachten lässt auch das flächenmäßig optimierteste Lager irgendwann an seine Grenzen kommen. Hier macht sich für Onlinehändler bezahlt, einzelne Lagermodule nach Bedarf separat an- und abmieten zu können.
Auch bebaubare Flächenoptionen schaffen Spielraum für Expansion und Wachstum – allerdings eher im Sinne einer Langfriststrategie. Als Mindestanforderung sollte das Lager proaktiv von unnötigem Ballast befreit, also quasi entrümpelt werden.
3. Machen Sie nicht alles selbst im E-Commerce
Viele Onlinehändler verantworten die Logistik im eigenen Unternehmen. Dafür gibt es gute Gründe, denn Logistik sollte eine Kernkompetenz erfolgreicher E-Commerce Anbieter sein. Dennoch muss man nicht alles selber machen. Eine einfache und verhältnismäßig kurzfristig realisierbare Option, um extreme Peaks abzufedern, ist, das Geschäft nicht ausschließlich in Eigenregie abzuwickeln, sondern teilweise an einen Fulfillment-Dienstleister auszulagern.
4. Verschaffen Sie sich Flexibilität beim Personal
Die einfachste Möglichkeit, auf saisonale Schwankungen im Bestellvolumen zu reagieren, ist die Kooperation mit Zeitarbeitsfirmen. Alternativ sind auch flexible Zeitarbeitskonten hilfreich. Eine hohe Flexibilität ist wichtig, dafür müssen in ausreichendem Umfang Springer ausgebildet werden. Dies wird jedoch oft vernachlässigt. Ideal ist es, wenn Mitarbeiter als flexible Einsatzkräfte auf mehreren Funktionen und in mehreren Tätigkeitsbereichen eingearbeitet werden, um im Ernstfall Zusatzflächen komplett eigenverantwortlich übernehmen oder selbst neue Mitarbeiter einlernen zu können.
5. Machen Sie Ihre IT fit
Systemseitig sollte der Onlinehandel sich frühzeitig mit der Anbindung zusätzlicher Lagerstandorte, weiterer Carrier und anderer Bypass-Prozesse auseinandersetzen. Denn das sind keine trivialen Aufgabenstellungen.
So kann es in Spitzenzeiten beispielsweise erfolgreich sein, bestimmte Sondermarketingaktionen mit Blockflächen parallel zu einem automatisierten Prozess mit Fördertechnik abzuwickeln. Das Management sollte sicherstellen, dass die eigene IT-Abteilung darauf eingerichtet ist und beispielsweise auch schnell Click & Collect-Prozesse realisieren kann, wenn dort die Kundennachfrage im stationären Handel steigt.
6. Verlagern Sie das Warenrisiko auf Dritte
Ob im diesjährigen Weihnachtsgeschäft die typischen Highseller fünf- oder Zehntausendmal bestellt werden, lässt sich schwer kalkulieren. Entsprechen flexibel sollte man auch bei der Warenlagerung taktieren – beispielsweise über Dropshipment.
Allerdings muss hierbei gewährleistet sein, dass der Hersteller oder der Lieferant dieselben Qualitätsmaßstäbe an die Kundenbelieferung anlegt wie der Händler selbst. Denn wird zu spät geliefert, rufen die Kunden schnell den Händler an, was zu Peak-Zeiten zu hohen Belastungen im Callcenter führt.
7. Sichern Sie sich ausreichend Verpackungsmaterial und Distributionskapazitäten
Ein Onlinehändler kann sein E-Commerce-Lager bestmöglich auf alle Eventualitäten vorbereitet haben – wenn die Versandkartons ausgehen oder die Distributionskapazitäten seines Logistikdienstleisters erschöpft sind, kommen die Geschenke dennoch nicht pünktlich bei den Kunden an. Führen Sie daher entsprechende Verhandlungen mit dem Logistiker am besten schon im Sommer.
8. Planen Sie den Retouren-Peak gleich mit ein
Nach Weihnachten ist vor der Retouren-Flut. Zeit für eine Verschnaufpause ist für den Onlinehandel nach dem 24. Dezember noch nicht. Auch hier müssen Prozesse, Personal und IT für alle Eventualitäten gerüstet sein.
Oft hat es sich für Händler als praktikabel herausgestellt, den Kunden gegenüber in der Hochsaison kulanter zu sein als sonst. Häufig fährt man günstiger, wenn man dem Kunden Rabatte einräumt, damit er die Ware behält. Eine weitere Möglichkeit kann sein, die Retourenbearbeitung zu verlagern, beispielsweise in die eigenen Filialen oder andere nutzbare Flächen.